Waldbaden – viel mehr als „nur“ Spazierengehen
Wir alle wissen, wie gut es uns tut, in der Natur zu sein. Wir wissen und spüren es im tiefsten Inneren seit Jahrtausenden. Die Geräusche des Waldes, der Geruch der Bäume, das Spiel des Sonnenlichts zwischen den Blättern, die vom Duft der Pflanzen getränkte Luft.
All dies sorgt dafür, dass wir uns im Wald wohlfühlen. Stress und Sorgen können weichen, wir entspannen uns und können klarer denken. Der Aufenthalt in der Natur hebt unsere Stimmung, er gibt uns unsere Energie und Vitalität zurück, erfrischt und verjüngt uns.
Am 08. Juli 24 haben wir uns mit einigen Bewohnern und einer Betreuungskraft an einem schönen sonnigen Tag von der wohltuenden Wirkung des nahegelegenen Seewalds überzeugt. Teilnehmer des kleinen, aber feinen Kreises waren neben den BewohnerInnen des Pflegeheims auf dem Roßbühl, Frau Futterknecht, die leitende Betreuungskraft und Frau Clasing, Kursleiterin für das Waldbaden.
“Shinrin Yoku” - So nennt sich eine japanische Tradition, die übersetzt Waldbaden bedeutet.
Damit ist nicht etwa das Baden in einem Waldsee gemeint, der Vergleich passt allerdings: Ähnlich wie in einen See, so können wir auch in einen Wald mit allen Sinnen regelrecht eintauchen. Oft wird es auch als „Einatmen der Wald-Atmosphäre“ übersetzt. Seit 1982 ist Waldbaden in Japan eine offiziell anerkannte Methode zur Gesundheitsvorsorge und als Möglichkeit zur Stressbewältigung bekannt. Doch was die Menschen intuitiv spüren, fühlen und innerlich wissen, reichte der Wissenschaft nicht aus: Für die therapeutische Wirkung des Waldbadens mussten medizinische Beweise erbracht werden! Es gibt eine Reihe von Studien, die belegen: Der Wald baut Stress ab, indem man lernt vom Alltag abzuschalten. Er begünstigt die Herzgesundheit, wirkt positiv auf die Atmungsorgane, er fördert einen gesunden Schlaf und stärkt das Immunsystem. Ebenso stärkt er die psychische Widerstandskraft, die sogenannte Resilienz. Würde man uns nach einiger Zeit in der Waldluft Blut abnehmen würde, würde man folgendes feststellen: Die Anzahl der natürlichen Killerzellen unseres Immunsystems ist deutlich gestiegen, und sie sind aktiver geworden. Diese erhöhte Aktivität dieser Zellen wird noch viele Tage lang anhalten.
„Waldluft ist wie ein Heiltrunk zum Einatmen“.
Auch hierzulande wird das Waldbaden immer populärer, wie kann man sich nun ein Waldbad konkret vorstellen? In gemäßigtem Tempo bewegte sich die Gruppe, angeleitet durch Johanna Clasing, Trainerin für das Waldbaden, durch den Wald und nimmt diesen über alle Sinne wahr. „Wir sind schauend, fühlend, hörend und riechend gemütlich schlendernd und auch mal absichtslos unterwegs“, so Johanna Clasing. Sie klärt die Gruppe auf, dass mit verschiedenen Achtsamkeitsübungen, meditativen Einheiten und sanften Bewegungen wir an uns selbst erfahren, warum das Baden in der Waldatmosphäre so gesund ist und wie unser Wohlbefinden und das Immun- und Nervensystem dabei gestärkt werden. Waldbaden - auch ein Konzept für Menschen mit Demenz Werden die Sinne nicht mehr „benutzt“, verkümmern sie – und das Leben wird sinn-los. Durch die Sinne kommt die Welt in unseren Kopf. Im Wald werden alle Sinne geöffnet. Die Menschen bekommen Impulse, damit sie auf vielfältige und abwechslungsreiche Art und Weise (wieder) anregen. Dadurch nehmen sie Kontakt mit der Umwelt und den Mitmenschen auf. Deshalb ist es so wichtig, die Sinne immer wieder zu schulen.
Die Sinne zu aktivieren bedeutet, dass Menschen jeden Alters ihre Lebensqualität wieder erhöhen können - bei Menschen mit dementiellen Veränderungen ist es jedoch besonders wichtig, umso mehr kognitive Fähigkeiten verloren gehen. Durch ein gezieltes Sinnestraining wird der Fokus im Wald auf das gelegt, was sie noch gut können – das, was nicht mehr so gut funktioniert, kann in den Hintergrund treten. Zudem ist die menschliche Erinnerung sehr eng mit den Sinnen – insbesondere dem Riechen und Fühlen – verknüpft.
Der Wald als reizarmer Ort ist der beste Trainingsplatz für die Sinnesschulung. Doch selbst wenn es Menschen nicht mehr möglich ist, durch den Wald zu streifen, gibt es Möglichkeiten ein „Bad im Wald“ zu praktizieren – im Garten oder auf einer Bank am Waldrand. Und wenn die Betroffenen gar nicht mehr nach draußen können, dann kommt der „Wald“ eben in den Raum.
Dabei finden auch Pflegende, Betreuende und Angehörige Berücksichtigung. Sie erfahren, wie sie durch gezielte Übungen mehr Kontakt zum Betroffenen finden können und dass es für beide Parteien ein entspanntes Erlebnis sein kann. An diesem Nachmittag hat die Gruppe Spannendes zur Theorie des Waldbadens erfahren, eine „Waldschranke“ symbolisch überschritten, Naturmaterialen, wie Wilderdbeeren, Blumen, Moos, Zapfen, Rinden und Federn gesammelt, gerochen und gefühlt. Alle haben sich bewegt und dabei Elemente aus dem QiGong kennengelernt. Mit StandLupen Kleines Groß werden lassen und dabei gestaunt, gelacht und Erinnerungen aufkommen lassen.
Zum Ausklang haben sich alle am Waldrand an mitgebrachten Köstlichkeiten und bei einer kleinen Waldlyrik erfreut. Bestimmt war es nicht der letzte Ausflug in den Wald….
Marina Ebert